Kempingas

Campingplätze gibt es in Litauen vor allem an der Ostsee. In anderen Regionen ist man auf eine eingehendere Recherche angewiesen, wenn man nicht wild zelten will. Zeltsymbole auf Osmand und Papierkarten müssen recherchiert, Texte von Webseiten übersetzt werden. Auf diese Weise haben wir eine Campingmöglichkeit in einem kleinen Tal entlang des kleinen Flusses Minija gefunden.

Nach einem Tag auf kleineren und grösseren Strassen durch Litauen stehen wir an einem Kiesweg, der von der Strasse wegführt. Hier ist auf einem grossen Schild das Gelände des Campings aufgezeichnet, Klos und Parkplätze sind markiert. Wir folgen dem Kiesweg, an Unterständen und Feuerstellen vorbei und treffen schliesslich auf einige Zelte sowie eine Frau mit ihrem Sohn. Kempingas, fragt Hans, Campingplatz? Die Frau winkt ihren Sohn heran, er soll übersetzen. Er überlegt lange und sagt dann, this property is private (dieses Gelände ist privat). Wir nicken, er denkt wieder angestrengt nach. You want to rent a campsite? fragt er dann (Ihr wollt einen Campingplatz mieten?). Wir nicken wieder. You have to pay (ihr müsst zahlen). Wir nicken, wo? Oben an der Strasse gebe es ein Haus, da wohne die Besitzerin. Da gibt es kein Haus, flüstert Stefanie von hinten. Ob sie einen Namen habe, diese Frau, frage ich. Sie heisse Violetta.

Eine junge Frau und ein junger Mann tauchen auf, tropfend direkt aus dem Fluss. Auch die junge Frau wird hergewunken, sie soll uns eine Botschaft ausrichten. Violetta habe eine Telefonnummer und ihre Freunde würden sie uns geben.

Wir warten, die vier Personen reden miteinander und gehen zu ihrem Unterstand, dessen windexponierte Seite sie mit Frischhaltefolie winddicht gemacht haben. Passiert jetzt noch etwas, fragt Hans.

Kurz bevor die unklare Situation unerträglich wird, fährt ein Auto voller Leute heran, grosses Begrüssen, dann kommt die junge Frau wieder zu uns und gibt uns die Nummer. Wir fahren zur Strasse zurück und besprechen. Stefanie ist nicht sehr begeistert, Esther und Hans wirken abwartend. Ich rufe also diese Violetta an und versuche, klares und einfaches Englisch zu sprechen. Die Frau hat Mühe, ihr fehlt der Wortschatz, sie fragt dann, ob ich Russisch spreche. Ganz wenig, sage ich. Wie immer rattert auf dieses Wort eine Ladung Russisch auf mich runter. Ich kann immerhin klarmachen, dass wir vor Ort sind. Sie sagt „gut“ und dann etwas, was ich als „ich komme“ verstehe. Wir warten, Hans schaut auf die Uhr und sagt, 15 Minuten geben wir ihr, Stefanie schaut noch Alternativen im Internet, ich zermartere mein Hirn, ob ich die Frau richtig verstanden habe, Esther studiert den Plan. Jedes Auto, das an uns vorbeifährt, verfolgen wir mit den Augen.

17 Minuten später rollt ein Auto heran, eine Frau kurbelt die Scheibe herunter und sagt: You? Sie bedeutet mir, ihr hinterherzufahren und rollt holpernd auf dem Feldweg voran. Gemischt Englisch-Russisch erklärt sie, wo wir uns hinstellen können. Fünf Plätze gibt es insgesamt, jeweils grosse Wiesen mit Unterständen, Feuerstellen, Tischen und Bänken und einem Klo. Wer zahlt, mietet gleich einen ganzen Platz. Solche Zeltplätze gäbe es in Litauen öfter, aber häufig ist für AusländerInnen nicht klar, wie es funktioniert – und Anrufen ist ein Glücksspiel.

Wir entscheiden uns für eine kleinere Wiese mit einem steilen Zugang zur Minija. Toiletten gibt es etwas entfernt unter den Bäumen, Plumpsklo ohne Schüssel, also nur eine Öffnung im Boden. Wasser kommt aus einer quietschenden Pumpe, laut der Frau Trinkwasser, aber wir finden es reichlich rostig und würden Tee damit kochen müssen. Gut, gut, sage ich immer wieder, erleichtert, dass sich alles zum Guten gewendet hat. Sie lächelt nun sogar. Woher, will sie noch wissen, Schweiz, sage ich, sie macht „ooooooh“ und verwirft die Hände. Sie fragt noch etwas, was mit „wieviel“ anfängt, aber ich verstehe den Rest des Satzes nicht, und sage mal, eine Nacht; ihre Reaktion darauf passt allerdings nicht. Es kostet zehn Euro für uns alle vier zusammen. Wir stellen unsere Velos hin und gehen baden. Die Minija ist klar, etwas bräunlich, dadurch sieht man, dass am Boden viel Holz liegt. Das Wasser ist anfangs etwas kühl, aber gibt uns ein gutes Gefühl.

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