Corona I: Frankreich küsst weiterhin

Der Virus hatte sich in unsere Gedanken geschlichen, plötzlich begann Stefanie mehr Nachrichten und weniger Bücher zu lesen. Als medizinische Fachfrau war der Weg von aktuellen Tatsachen bis zu möglichen Szenarien nicht weit. Nach einigen Tagen musste ich intervenieren und ihr verbieten, ständig die Lage zu checken. Gemäss einem (satirischen) Plakat eines Bundesamtes für Geistige Gesundheit, dass man mehr Hände waschen und weniger Zeitung lesen soll.

Am 10. März machten wir uns endgültig auf in Richtung Schweiz, einen Tag später wurde die Pandemie ausgerufen. Nun zog die allgemeine Situation mehr und mehr Aufmerksamkeit auf sich.

Plötzlich wuschen wir uns bei jeder Gelegenheit die Hände und diskutierten „Hygiene-Ketten“, also wenn ich jetzt saubere Hände habe und dann das anfasse, dann geht das, oder? Oder müsste ich zuerst das öffnen, dann die Hände waschen, oder nochmal anders?

Auf den Campingplätzen ist wenig los, die meisten haben noch gar nicht auf, sorgfältig haben wir uns eine Route zurechtgelegt, damit wir möglichst oft zelten können. Alleine stehen wir mit unserem Zelt auf weiter Flur. Tagsüber unterwegs treffen wir zwar Leute, aber die fahren einfach an uns vorbei, maximal wird gegrüsst. Natürlich müssen wir aber einkaufen und abends irgendwo einchecken.

Die Nachrichten von FreundInnen und Familie aus der Schweiz sind verschieden, manche witzeln übers Bunkern, andere sind stark verunsichert, was man noch darf und was nicht. Die Informationen des Bundesrates sind ähnlich wie die Informationen, die wir von der französischen Regierung hören. Dennoch stellen wir uns den Alltag in der Schweiz aufgrund der Informationen von FreundInnen und Familie drastischer vor als das, was wir hier in Frankreich erleben. Wir sehen nahezu keine Anzeichen, dass es einen Virus gibt. Die Menschen küssen sich weiterhin zur Begrüssung, gehen auf den Markt, drängeln sich an einem vorbei im Supermarkt, fassen Geld, Nahrungsmittel, Handy und manchmal auch ihr Gesicht (Nase, etwas zwischen den Zähnen hervorklauben) mit denselben Händen an – manchmal tragen sie dabei zwar Handschuhe, aber das ändert nichts. Die Schulen sind geschlossen und Veranstaltungen ab 1000 Personen sind abgesagt, aber davon merken wir nichts, weil wir nicht in dem Sinne an der Gesellschaft teilnehmen.

Mit meinen beiden Cousins, die in Reims und Toulouse wohnen, tauschen wir uns hin und wieder aus, bei ihnen klingt es sehr verschieden: sie hören von Leuten, die panisch reagieren und bunkern, die meisten versuchen aber, so normal wie möglich weiterzumachen.

Und wir? Wir ziehen uns ein Stück weit in unsere eigene Quarantäneblase zurück, achten unter Menschen (Supermarkt, Reception, Markt) auf Abstand, waschen uns die Hände, wenn wir können, andernfalls nutzen wir Händedesinfektionsgel. Nur geht das uns langsam aus.

In der Apotheke in Castelnaudary sagt die Apothekerin, es gibt kein Händedesinfektionsgel mehr. Händewaschen sei gerade so gut. Ich erkläre ihr unsere Situation und dass wir immer Gel mitführen würden, auch prä-Corona. Sie holt einen Computerausdruck hervor, sie könne uns die Zutaten verkaufen, damit wir selber Gel mischen könnten. Ich übersetze für Stefanie und schaue sie fragend an: Sie entscheidet in medizinischen Belangen. Sie nickt, warum nicht probieren. Die Frau erklärt uns alles sehr genau, wir fotografieren das Rezept, das übrigens von der WHO abgesegnet ist und tragen die vier Sachen nach Hause: Aloe Vera Gel, Alkohol, Lavendel- und Teebaumöl. Praktischerweise hat Stefanie eine Spritze dabei, so dass wir ziemlich genau abmessen können.

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