In Reims am Bahnhof verwirft die Mitarbeiterin der französischen Bahn die Arme: Mit unzerlegten Velos kommen Sie mit dem Zug nicht nach Spanien! Wir diskutieren hin und her, sie berät sich mit ihrer Kollegin, wir haben zum Glück vorrecherchiert: schliesslich bekommen wir Tickets für uns und unsere Velos bis nach Toulouse. Dort sollen wir uns wieder informieren, die KollegInnen im Süden wüssten besser Bescheid, was die Linien nach Spanien anbelangt. Der Plan: Wir schlagen uns mit dem Zug bis nach Valencia durch und fahren ab da in Richtung Portugal.
Drei Tage später sind wir unterwegs nach Melun, als Stefanie plötzlich am Strassenrand anhält: Du, ich muss dir was sagen! Wollen wir wirklich nach Spanien fahren? Ich lasse die Information durch mein System sickern. Wir fahren weiter. Ich bin gespalten. Über den Verkehr haben wir wenig Gutes gehört (was uns an Litauen erinnert) und die Temperaturen werden wohl nicht so gut sein, dass wir wieder vor allem zelten können. Ausserdem sind es nach Portugal und dann in die Schweiz ungefähr so viele Kilometer wie von Bern nach Tallinn – aber uns bleibt weniger Zeit. Wir haben das Bedürfnis, es jetzt entspannter anzugehen, was gerade hier in Frankreich, wo ich mich einfach unterhalten, informieren, austauschen kann, besonders gut funktioniert. Gleichzeitig habe ich erst neulich wieder Bilder aus Spanien angeschaut – es sieht wirklich sehr schön aus.
Bei einer nächsten Haltemöglichkeit warte ich: Du, ich meine, nur weil wir die Tickets gekauft haben, heisst das noch lange nicht, dass wir diesen Zug auch nehmen MÜSSEN. Wir fahren weiter. Wir halten noch diverse Male an, diskutieren, erwägen, verarbeiten. Schliesslich wird uns klar, dass wir jetzt vor allem zwei Dinge wollen: Velofahren und länger in Frankreich bleiben. Die Aussicht, uns bald schon wieder auf eine neue Sprache einzulassen, wieder für zwei bis drei weitere Monate in die (semi-)Sprachlosigkeit einzutauchen, um uns am Ende, ganz am Ende, einen guten Monat in Frankreich zu erholen, finden wir auf einmal nicht mehr so berauschend.
Denn neben dem Velofahren und Europa erleben ist auch ein Ziel in diesem Jahr wichtig: das Gefühl erleben, über unsere Zeit frei verfügen zu können. Und jetzt bietet sich diese Gelegenheit: einem Bedürfnis nachgehen und handeln, einfach so.