Stefanie kauft ein, Eier und Brot, Nektarinen und Tomaten. Vor dem Edeka warte ich neben den Velos und suche etwas in meiner Lenkertasche. Da finde ich mein Messer – es ist in eine fiese Nische in meiner Tasche gerutscht. Aber Ronja hat ja ihr Messer zum Glück auch wieder gefunden: Es lag unter einigen Stücken Moos, die sie als Zunder gesammelt hatten.
Sie mögen es hier geplättelt. Nicht nur die Häuser mit ihrer klinkerartigen Aussenhülle, sondern auch die Strassen. Die Radwege. Die Trottoirs. Bereits nach wenigen Metern sehnt man sich wieder nach einem Stück schönen Asphalts. Auf einem solchen Holperweg bekommt man von der Landschaft nichts mehr mit. Aus Angst vor dem nächsten Schlagloch klebt der Blick drei Meter vor dem Vorderrad am Boden.
Wir fahren weiter entlang des Deichs, das macht die Landschaft vermeintlich etwas eintönig. Aussendeichs sieht man rechts das Meer und links den Deich. Innendeichs sieht man rechts den Deich und links Weiden mit Holstein-Kühen, Schafen und Pferden, rote Häuser, Windmühlen. Und Schafe. Sie blöken, grasen, rennen, beäugen uns neugierig oder misstrauisch oder wie auch immer und grasen. Grasen mit einer Sorgfalt und Aufmerksamkeit und einer Hingabe – mir scheint, das sei mir noch nie so aufgefallen. Wenn sie grasen, tun sie nichts anderes. Einen Fuss vor den anderen arbeiten sie sich vorwärts, und sie grasen einen Grossteil des Tages. Selbst wenn sie liegen und wiederkäuen scheinen sie aufmerksam zu sein der Aufgabe gegenüber, die sie wahrnehmen. Habe ich jemals etwas über lange Zeit mit einer derartigen sorgfältigen Aufmerksamkeit gemacht?

Schafe kratzen sich am Zaun, werfen sich regelrecht an den Zaun ran.

Deich – gut 8m hoch und mit einer Weite von gegen 80 m am Fuss.
Gegen Horumersiel hin verliert sich die Salzweide, die dem Deich bis jetzt meist vorgelagert war und ihn vor den Wassermassen schützt. Das Wasser läuft sich auf der langsam ansteigenden und bewachsenen Fläche sozusagen tot. Hier sieht man Lahnungen, Buschwerk wird zwischen zwei Pfahlreihen gepackt und mit Draht festgemacht. Durch die nur wenige Meter breite Öffnung zum Meer hin spült bei Flut Wasser herein und bringt Schlick und Sand mit, der sich ablagert. Bald siedeln sich Strandflieder und Queller, Schlickgras und später Andel und Rotschwingel an. So entsteht eine Salzwiese und daraus später Deichvorland.

Mit Lahnungen wird das Material, das das Meer zweimal täglich heranführt, zurückbehalten. Nach und nach siedeln sich dort Gräser an.
In der Tourist Information fragen wir nach dem Weg zu „Hannys Radlercafé“. Unterwegs fragen uns Leute, wo wir hinwollen und eine Frau fährt auf dem Fahrrad neben uns her, sie will uns zeigen, wo wir abbiegen müssen. Sie hat ihren Wohnwagen in Schilling und wünscht uns alles Gute. Leider hat Hannys Radlercafe nur am Wochenende offen – wir haben vergessen, die Öffnungszeiten zu checken. Das zieht unsere Lebensgeister kurzfristig etwas runter, wir haben uns wirklich auf einen Kaffee oder einen Tee gefreut. Ein paar hundert Meter weiter werden wir fündig: Beim Deichgrafen gibt es einen Ostfriesen-Tee auf dem Stövchen und einen geteilten Coupe Danmark.

Der Rahm wird gegen den Uhrzeigersinn am Tassenrand in den Tee gegossen.

Die Rahmtröpfchen sinken auf den Tassengrund, stossen sich ab und steigen atompilzartig an die Oberfläche.

So muss wohl ein Atompilz von oben aussehen.
Dann sind es „nur“ noch gut zehn Kilometer nach Harlesiel, wo wir einen Ruhetag verbringen werden!
(c) Katharina