Von Bier und Teek (Augusthausen-Dangast)

Unterwegs nach Varel stoppen wir an einem Infoschild. Jede Flut schwemmt Material an und bei Hochwassern bleibt es am Damm liegen und weicht diesen auf. Daher werden „Teek-Abführwege“ gebaut, um auch bei bereits leicht aufgeweichtem Damm das Material abführen zu können. Wir vermuten, dass die Strassen, auf denen wir aussendeichs fahren, solche Teek-Abführwege sind.

Plötzlich stelle ich fest: Mein Messer ist weg. Mein schönes, 37-Gramm leichtes Messer. Ich behelfe mir beim Butter schmieren mit einem Messer aus dem Küchen-Tupperware und denke an Ronja Räubertochter. Als sie und Birk ausreissen und in der Bärenhöhle wohnen, führt die Frage nach dem Messer zur existentiellen Krisensituation. Wo ist das Messer? Du hattest es doch zuletzt! Nein, du! Birk geht, Ronja bleibt, im Wissen, dass sie ohne Messer im Wald nicht überleben können. Natürlich hat ein verlorenes Messer hier in Norddeutschland für uns keine existentiellen Konsequenzen. Aber vielleicht sind wir mal anderswo, wo es darauf ankommt, und vielleicht fehlt etwas anderes, nicht „nur“ ein Messer, sondern etwas, was wir nicht kompensieren können. Es zeigt mir wieder einmal, wie wichtig es ist, unterwegs zu seinen Sachen Sorge zu tragen. Schau zu deiner Ausrüstung, dann schaut sie auch zu dir.

Im Hafen von Varel reihen sich Restaurants mit Namen wie „Scholle“ , „Aal und Krabbe“ und „Kombüse“ aneinander. Fischbrötchen werden „grundsätzlich frisch zubereitet“. Die Brauerei Tide liegt am Hafen – vier Biobiere hat sie im Angebot. Da es erst kurz vor Mittag ist, entscheiden wir uns dagegen, einzukehren und die Biere zu probieren und kaufen stattdessen zwei Flaschen zum Mitnehmen. Auf der anderen Seite des Hafens liegt der Bahlsen-Fabrikverkauf. Eine Kindheitserinnerung von Stefanie, heute heisst es Outlet und hat allerhand mehr zu bieten als nur Bahlsen Artikel. Wir decken uns mit Güetzi und Schoggi ein und pedalen dann in Richtung Rutteler Mühle.

(c) Scheuner

Im Fabrikverkauf von Bahlsen, geräucherten Aal und fangfrischen Hummer aus Marzipan.

(c) Scheuner

Hafen von Varel.

(c) Scheuner

Tide-Bier.

Dabei queren wir den Neuenburger Urwald, den Rest eines alten Hudewaldes (früher eine Waldweide). Im 19. Jahrhundert wurde er unter Schutz gestellt, seit der Zwischenkriegszeit nicht mehr forstwirtschaftlich genutzt. Im zweiten Weltkrieg wurde die Fläche allerdings auf 24 Hektaren halbiert – es drängte nach Feuerholz. Die rund achthundertjährigen Eichen wurden teilweise von Buchen verdrängt – als man diese nicht mehr als Plaggen nutzte, konnten sie sich besser verjüngen und etablieren als die Eichen. Plaggen sind ausgestochene Stücke Oberboden, die als Einstreu verwendet und danach mit dem Mist vermischt als Dünger ausgebracht wurden.

(c) Scheuner

Man mag es hier geplättelt…

(c) Scheuner

Nicht der Radfahrerin liebster Strassenbela-ha-ha-ha-ha-ha-g…

Bei der Rutteler Mühle öffnen Laden und Cafe erst um zwei. Wir vertreiben uns die Zeit mit einer Mühlenbesichtigung. An rund 200 Tagen im Jahr reicht der Wind für die Produktion von Mehl, Schrot und Flocken. Auch Holz wird noch mit Windkraft gesägt, damit ist die Rutteler Mühle die einzige in Deutschland, in der das noch gemacht wird. Zwei wacklige, mehlige und steile Treppen dürfen wir hinaufsteigen. Die Siebemaschine ist in Betrieb, wir betrachten einen Moment fasziniert die harten schnellen Bewegungen. Im oberen Stock, dem letzten, den BesucherInnen noch betreten dürfen, können wir den Mechanismus nachvollziehen: Grosse Zahnräder und Riemen treiben die verschiedenen Geräte in der Mühle an.

(c) Scheuner

Rutteler Mühle – hier kann an rund 200 Tagen im Jahr Mehl gemahlen werden.

Im Mühlencafe gibt es zum ersten mal den traditionellen Ostfriesen-Tee auf dem Stövchen und ein Stück Kuchen. Die Ostfriesen haben ja ihre eigene Teezeremonie. Zuerst kommt ein Stück Kandiszucker (genannt Kluntje) in die Tasse. Der Tee wird direkt darauf gegossen, so dass der Kandis knistert und zerspringt. Am Schluss wird der Rahm kreisförmig in die Tasse geleert. Die Tröpfchen sinken auf den Tassengrund und steigen dann atompilzartig an die Oberfläche, wo sie sich verbreiten. Das Trinken erfolgt dreistufig: Der erste Schluck ist mild und sahnig, die Schlucke zwei bis ungefähr vier sind friesisch-herb und der letzte ist süss. Es ist erstaunlich, wie lokal die Süsse bleibt, wirklich erst auf dem Tassengrund schmeckt man den Zucker.

(c) Scheuner

Ostfriesentee im Kännchen.

Gestärkt geht es zurück an die Küste, nach Dangast. Speziell an dem Nordseebad ist, dass die Ortschaft erhöht liegt und damit keinen Deich benötigt. Das fällt auf den ersten Blick nicht auf, aber es gibt tatsächlich keinen Deich. Das Ufer steigt an und dann kommen die Häuser. Wir schlagen unser Zelt neben einer polnischen Familie mit einem erst wenige Wochen alten Bebe auf. Hinter ihnen ist ein Radler, mit seinem vollbepackten Elektrorad ist er in Richtung Norden unterwegs.

(c) Scheuner

Heidi und Peter von der Nordsee.

(c) Scheuner

Unterwegs finden wir Gerichte das Höchste, das wir zu Hause nie und nimmer kochen würden.

(c) Katharina

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