Wir sind wieder unterwegs, und wie! 75 km und 989 Höhenmeter quer über den schmalen Landstreifen von Lang Suan zu der Mündung der Strasse 4006 in die 4.
Der Zug heute morgen hatte nur 20 Minuten Verspätung, rund Viertel vor sechs treffen wir in Lang Suan ein. Wir haben den Zug als blauen Punkt auf Googlemaps verfolgt – der Kondukteur schnarchte nämlich im Bett hinter mir und aus dem Funkgerät plärrte eine Stimme. Wir waren auf uns gestellt. Als der Zug bereits verlangsamte, tauchte ein Kollege des Schnarchers auf und wies uns freundlich darauf hin, dass wir demnächst in Lang Suan ankommen würden. Und dann hielt der Zug, öffnete seine Türen und spuckte uns aus dem klimatisierten Innern in die warme Nacht.
Dem Perron entlang hielten wir auf das erleuchtete Bahnhöfchen zu, an dem für die frühe Stunde erstaunlich viel Betrieb war.
Die paar älteren Herren, die uns mit zahnlosen Grinsen beim Beladen der Velos zuschauten, waren aber wohl eher Dauer- denn Fahrgäste. Die Velos und unsere Tasche hatte ich schnell entdeckt, allerdings wurden wir noch um 60 Baht erleichtert, bevor wir sie holen durften. Vielleicht beweisen wir manchmal moralisch zu wenig Rückgrat, wenn wir bei undurchsichtigen Kleinbeträgen nur die Augenbrauen heben, aber widerstandslos zahlen. Wir sind ehrlich nur erleichtert, dass alles unbeschädigt und angekommen ist.
Kaffee hat so früh noch keines auf – die Thai trinken keinen Kaffee zum Frühstück. Auf dem Weg in Richtung Strasse 4006 finden wir jedoch Frühstück: Reisgriesbrei, auf einer Art Waffeleisen mit halbkugelförmigen Einbuchtungen gebraten. Es wird in Zucker getunkt. Rohn, sagt der Mann zu uns, als er uns zwei Portionen in Schächtelchen aus Bananenblättern – ein hier oft verwendeter Rohstoff – auf den Tisch stellt. Wir verstehen: heiss.
Ein paar hundert Meter weiter kommen wir doch noch zu einem Kaffee, oder eher einem süssen Heissgetränk mit Geschmack nach gerösteten Haselnüssen. Ich fands sehr fein. Dazu gab es eine Tasse Tee. Das hatten wir früher schon mal, irgendwie scheint das manchmal dazu zu gehören.
Lang Suan befindet sich an der Ostküste des schmalen Landstreifens (Siam Golf), der zu Thailand gehört und in Richtung Süden verläuft. Nicht die ganze Landzunge gehört zu Thailand, weiter unten kommt Malaysia, bis schliesslich die Zunge in Singapur endet. Mehr oder weniger horizontal fuhren wir in Richtung der Westküste (Andaman Sea) quer durch den Gebirgszug, der entlang der Landzunge in Nord-Süd-Ausrichtung verläuft.
Der Verkehr auf der 4006 ist okay, teilweise fahren sie aber sehr schnell. Eine doppelte ausgezogene Linie bedeutet hier: mach was du willst. Und das tun sie. Wir haben mehrere halsbrecherische Überholmanöver gesehen, zum Beispiel ein Pickup, der vor einer Kuppe einen Lastwagen mit Anhänger überholt. Einmal kam mir plötzlich ein Lastwagen auf meiner Strassenseite entgegen, der einen anderen Lastwagen überholte. Ich bin erschrocken, richtig brenzlig war die Situation nicht. Wir haben aber danach gewusst: Velos gelten nicht als Gegenverkehr.
Die Landschaft ist herrlich! Wir fuhren die ganzen 75 Kilometer in einer Waldschneise, um uns herum Bananen-, Papaya- und Durianbäume, verschiedene Palmen. Die ganze Strecke ist mehr oder weniger bewohnt, Dörfer wechseln sich mit Einzelhäusern, Garagen und Neubauten ab. Oft bauen sie hier etwas wie Garagen, mit grossen Rolltoren. Aber das kann nachher auch ein Wohnhaus werden, beim Vorbeifahren sieht man direkt ins Familienleben hinein, eine Grossmutter liegt auf einem Ruhebett und passt auf ein Kind auf, ein paar Hühner streiten sich im Staub vor dem Haus, ein Mann hängt Wäsche auf Kleiderbügel zum Trocknen auf. Die Strasse geht auf und ab, wir kommen gut voran. Die Anstiege sind kurz, leicht bis mittel steil. Das Wetter ist heute gnädig, bedeckt und nicht sehr heiss. Allerdings wird hier gerne gezündelt. Am Strassenrand brennt häufiger eine Ansammlung nicht immer identifizierbarer (und auch nicht immer brennbarer) Sachen mit organischem Material gemischt. Auch in der Ferne steigt hie und da eine Rauchsäule auf. Die Luft ist gräulich durchzogen und mit jedem Atemzug riechen wir das mottende Feuer.
Bei 30 Kilometern halten wir an einer Tankstelle, die sich noch im Bau befindet. In einem kleinen Shop daneben kaufen wir uns einen kalten süssen Kaffee. Danach gehe ich auf die Toilette: Die ist nigelnagelneu, bereits fertig, aber leider fehlen noch die Türen…
Um halb zwölf sind wir in Phato und haben bereits 50 Kilometer in den Beinen. Ich muss ab und zu stehen bleiben, mich umsehen und ein Foto oder zwei machen. Nach den Anstiegen bietet sich oft ein weiter Blick über das bewaldete Tal, teilweise mit plantagenartigen Anlagen, aber doch recht biodiversitätsfreundlich. Lastwagen und Pickups mit Früchten überholen uns, oft mit Durian. Die Käsefrucht stinkt so fürchterlich, dass sie teilweise in Hotels nicht mitgebracht werden darf. Sie soll eine Konsistenz wie Camembert haben und sehr fein sein. Bis jetzt konnten wir uns noch nicht zum Probieren durchringen, weil man immer gleich eine ganze Frucht kaufen musste. Gut – ich habe schon mal ein Eis mit Duriangeschmack gehabt. Das muss nicht wiederholt werden.
Phato ist ein grösseres Dorf links und rechts der hier sehr breiten Strasse. Tankstelle, Cafés, Garagen, Läden, Suppenküchen. Wir verständigen uns mit einer Frau auf eine Suppe mit Nudeln und Fleischbällchen und sitzen bald gemütlich beim Essen. Draussen regnet es ungefähr eine Viertelstunde lang. Danach gönnen wir uns im Café Amazon noch einen Eiskaffee. Auf jeder Velotour braucht es einen special treat, eine spezielle Belohnung. Für Thailand ist es definitiv der Eiskaffee: Kaffee mit gesüsster Kondensmilch über Eiswürfel gekippt mit Schaum. Sowas feines, aber leider immer so schnell vorbei.
Zwischendurch gibt es wieder eine Polizeikontrolle. Wir hatten schon eine Handvoll davon. Damit man verlangsamt, sind entweder Wulste im Boden angebracht oder Bauelemente, dass man Slalomfahren muss. Vor einem Checkpoint stehen ein paar bewaffnete Uniformierte. Bis jetzt war es immer so, dass die Polizisten oder Soldaten uns schon von weitem kommen sahen, sich anstiessen, grinsten, die Daumen in die Höhe hielten und uns durchwinkten. Auch diesmal bremste ich ab, setzte ein freundliches Lächeln auf, rollte im Schritttempo auf den Officer zu, grüsste auf Thai, der Typ – sieht aus wie 15-jährig – verzieht keine Miene. Ich frage mich noch, ob ich den Spot hätte einpacken sollen. Als ich schon fast auf seiner Höhe bin und mir überlege, ob ich anhalten soll, kommt die erlösende Geste und er winkt mich durch.
Mir läuft es weiterhin gut, ich kann gar nicht erklären, warum. Stefanie hat einen komischen Bauch und tut sich etwas schwerer. Die Strasse hat in den letzten 25 Kilometern weniger Steigungen und vor allem nur noch leichte. Dazwischen kommen wir gut voran. Die Abfahrten können wir geniessen, da sie relativ lang sind und kein starkes Gefälle haben. Es macht nämlich keinen Spass, sich hochzukämpfen und dann beim Runterbremsen zu bibbern. Fürs Hochkämpfen möchte man mit einer netten Abfahrt, Wind im Helm und etwas Abkühlung belohnt werden.
Insofern also ein gelungener Tag: eine anständige Kilometerzahl, eine schöne Landschaft mit genügend Essensmöglichkeiten, gute Anstiege mit tollen Abfahrten und am Ende eine Unterkunft direkt am Weg. Endlich duschen! Wir sind nämlich vom roten Staub ganz braun geworden und wenn man Schweiss am T-Shirt abwischt, hinterlässt man braune Spuren…
Abends essen wir im Restaurant, das die Mutter von der Frau führt, die die Zimmer hier vermietet. Essen bestellen geht hier oft so (wenn sich die Leute nicht hinter einer englischsprachigen Menukarte verstecken):
Sie: Was wollt ihr essen, Reis, Nudeln?
Wir: Reis
Sie: Mit etwas Huhn oder Schwein?
Wir: Huhn klingt gut. Vielleicht mit einem Ei?
Sie: Ei passt, Gemüse auch?
Wir: Gemüse ist super.
Dann setzen wir uns.
Wir schätzen die Küche hier enorm und auch die kleinen Restaurants. Obwohl es eine Karte gibt, die oft an der Wand hängt und nur auf Thai ist, bestellen viele Leute so wie wir oben. Natürlich verstehen wir es nicht, aber wir haben die Gespräche oft verfolgt. Und das erklärt mir auch, warum die Menukarten von chinesischen oder thailändischen Restaurants in der Schweiz immer an die hundert Positionen aufweisen. Weil sie mangels „Bestellkultur“ (siehe oben) alle Möglichkeiten abbilden müssen. Aber im Prinzip ist es einfach, soweit wir hier beobachtet haben, gibt es folgende Möglichkeiten:
Reis oder Nudeln sowie Suppe
Reis und Suppe ist ein Frühstück
Reis oder Nudeln gebraten, wahlweise mit Schwein, Rind, Geflügel, Shrimps oder gemischt, ein Ei untergeschlagen oder ein Spiegelei dazu, mit oder ohne Gemüse
das Fleisch kann auch unter den Reis/die Nudeln gerührt sein; Reis kann auch nicht gebraten, sondern nur gekocht kommen, dazu die Sauce obenauf (mit Nudeln haben wir das noch nicht beobachtet)
Nudeln in Suppe geht mit den gleichen Fleischsorten/Gemüse/Ei
Wir sassen da und nach zehn Minuten kam das Essen, das kalte Chang-Bier liess die Gläser anlaufen, die Eiswürfel haben wir weggelassen, das Essen duftete super und mit der ersten Gabel schauen wir uns an und sind so unglaublich zufrieden.
Katharina