Die paar Wörtchen Thai, die wir gelernt haben und die uns auf dem Weg von Chiang Rai nach Chiang Mai Tür und Tor geöffnet haben, das heisst, Zugang zu Essen und Schlafgelegenheiten verschafften, wirken hier in der Fast-Metropole Chiang Mai lächerlich. Das Personal im Hotel spricht gut und selbtverständlich Englisch. Wir sind von Reisenden zu Touristinnen geworden, versinken in einer Masse aus anderen europäischen oder zumindest so aussehenden TouristInnen. Wir haben unseren Sonderstatus verloren, das kratzt ein bisschen am Selbstbewusstsein.
Gestern Abend sind wir noch kurz aus dem Hotel, ein Stück die Strasse hinunter und in ein Strassenrestaurant. Auch hier, die Frau spricht Englisch, streckt uns die Karte hin, die Thai-Englisch beschriftet ist. Wir kommen ob der vielen Möglichkeiten ins Schleudern. Wir teilen uns eine Lemongrass-Limonade, die wir mit Wasser verdünnen,weil sie so süss ist. Hinter uns sprechen ein paar TouristInnen Englisch. Aber das Essen und das Interieur sind, wie wir es uns hier schon gewohnt sind. Das Essen gut und würzig, einfach und schnell, das Interieur etwas heruntergekommen mit abgeschabten Plastiktischdecken, einem Plastikkrug mit Trinkwasser, in den Blechtassen schwimmen Industrieeiswürfel. Gabel und Löffel sind aus Aluminium und wiegen praktisch nichts. Zumindest etwas ist, wie wir es uns gewohnt sind.
Heute Morgen geht es ans Sightseeing-Programm. Der Tempel Wat Chedi Luang ist in der Altstadt von Chiang Mai und ist laut Führer „sagenumwoben und aufwendig restauriert“. Er beherbergte während rund 60 Jahren den Jade-Buddha, der auch im Tempel in Chiang Rai gestanden hat und der nun in Bangkok steht. Wir spazieren durch grössere und kleinere Strassen, in denen sich Bars an Coffee Shops an Massagesalons an Touranbieter reihen, westliche TouristInnen in Shorts und Flipflops überwiegen.
Wir besuchen auf dem Weg einen anderen Tempel, der uns mit seinem dunklen Holz anzieht. Wat Phan Tao, heisst der Tempel.
Für den Wat Chedi Luang muss man Eintritt zahlen. Danach werden wir gemustert, ob wir genügend lange Kleidung anhaben – wir passen. Lak Muang ist der Schrein, der dem Schutzgeist Chiang Mais gewidmet ist, die Figur aus grünem Stein bleckt die Zähne. In einen kleineren Tempel dürfen wir nicht rein – men only steht auf dem Schild über „bitte ziehen Sie Ihre Schuhe aus“ und ein paar Frauen stehen etwas irritiert oder auch verloren herum. Drinnen sieht man einen Europäer beten. Im Haupttempel steht ein grosser Buddha mit zwei Jüngern an der Seite. Einige Menschen haben sich auf den Boden gesetzt, man darf dem Buddha nicht die Füsse entgegen strecken, daher kniet man eigentlich. Aber offenbar geht auch Schneidersitz, zumindest machen es ein paar asiatische TouristInnen so. Andere Touris wandern herum, die Kameras im Anschlag. Der Buddha hat die Lider – wie immer – gesenkt und schaut vor sich auf die Hände. Mir scheint, er schaue nachsichtig auf die Menschen herunter, wie sie im ihm gewidmeten Tempel alles anschauen und überall herumgehen.
Hinter dem Tempel steht die – laut Führer 60 m hohe, ich kann es nicht ganz glauben – Ruine eines Chedis. Auf allen vier Seiten sind Schreine mit Buddhas angebracht, teilweise tragen Elefanten aus Beton das Gebilde.
In einem Seitentempel ist eine 9m lange liegende Buddha-Figur. Buddha-Statuen werden nur in bestimmten Körperhaltungen gezeigt. In den meisten Fällen sitzt er in der Meditationshaltung und hat die Hände entweder übereinander gelegt vor dem Körper oder eine Hand vor sich und die andere locker auf dem Bein. Es gibt auch die Haltung, die wir als „Einhalt“ wahrnehmen. Der liegende Figur symbolisiert den Eingang Buddhas ins Nirwana, also den „Abschluss, ein Wechsel des Zustandes, nachdem alle Vorstellungen und Wunschgebilde gleichsam überwunden und gestillt sind“, soviel erzählt meine Internet-Quelle.
In zwei kleineren Tempeln hat es statt einer Buddhafigur Wachsfiguren von Mönchen, wahrscheinlich besonders einflussreichen Mönchen. Drei junge Frauen, die spanisch sprechen und graue Wickelröcke tragen, die zeigen, dass ihre Shorts oder Röcke zu kurz waren, um in den Tempel zu gehen, machen ein Selfie mit der Wachsfigur hinter Glas. Ich finde das nicht angemessen. Bei der zweiten Wachsfigur steht ein Tourist mit seiner Kamera zwei Zentimeter vor der Wachsfigur und studiert sie minutenlang. Nicht nur geht er viel zu nahe heran, er hindert auch alle anderen daran, wirklich etwas zu sehen.
Zu kurze Kleidung ist offenbar nur für Frauen ein Problem, denke ich, als ein asiatischer Radler in kurzer Hose aus dem Tempel kommt.
Wir haben Hunger und suchen eine Suppenküche, in der nicht nur Touris sitzen. Wir werden auch bald fündig und essen eine Suppe mit Nudeln, Rindfleisch und Fleischbällchen. Sie ist okay und der Preis ist normal, aber wir hatten schon bessere.
Bald scheint uns die Zeit für einen Kaffee gekommen. Nach ein oder zwei etwas wenig anmächeligen Coffee shops finden wir eine Bar, die uns zusagt. Es wirkt wie ein Startup von ein paar Studierenden aussieht: Ponganges Coffee Roasters. Stefanie trinkt einen super Iced Coffee Thai Style und ich einen Iced Thai Tea. Das Zeug schlürfen wir dann, während wir gemütlich im Vorhof sitzen und auf die Strasse schauen.
Auf dem Heimweg wollen wir uns eine Fussmassage gönnen, da stolpern wir fast über ein paar Sitzbänke neben Aquarien – Fish Spa. Stefanie kann ich nicht überreden – und hinterher kann ich jetzt sagen, sie hätte nur noch gelacht. Ich also die Füsse rein in die Fischsuppe, Stefanie setzt sich in den Massagestuhl und lässt sich die Füsse massieren. Was soll ich sagen, die Fische sind ganz nett. Zuerst wollte keiner kommen und ich befürchtete schon, die Füsse stinken trotz zweimal duschen immer noch nach schlecht gelüftetem Treibhaus, aber offenbar brauchen die Fische einfach eine Weile. Durchs Buschtelefon kommen immer mehr Fische und schliesslich sind alle bei mir. Hat ja im Dreiplätzer auch nur zwei Füsse. Da es so viele Fische sind, fühlt es sich fast ein bisschen wie Vibrieren an. Ich lese Nachrichten aus der Schweiz und der Welt und versuche, nicht daran zu denken, was die Fische da unten machen.
Zurück im Hotel, wartet unsere Wäsche frischgewaschen auf uns. In Plastikbeuteln verpackt.
Abends gehen wir zu einem Nachtmarkt in der Nähe vom Hotel. Es gibt sehr viele Souvenirs, Kaschmir- und Seidenschals, Laternen, usw. Bei den Essständen werden wir nonstop angeredet, überall versucht man, uns als Gäste zu gewinnen. Mir vergeht die Lust auf den Markt, aber leider bleibt der Hunger. Also essen wir. Fazit: wir haben lange gewartet und hatten schon besseres Essen.
Auch auf dem Heimweg müssen wir uns ständig der Tuktuk-Fahrer erwehren. Aber Stefanie hat einen Trick: Sie lächelt und sagt freundlich „Sawadee ka“ (Grüessech), darüber verstummen die Fahrer und lassen uns in Ruhe. Warum das so ist, darüber haben wir viele Theorien.
Katharina